Exkurs: Grundlagen der Finanzierung von Wärmenetzen
Die Realisierung eines Wärmenetzes ist eine komplexe Investition, die sowohl technisches Know-how als auch eine sorgfältige betriebswirtschaftliche Kalkulation erfordert. Eine solide Finanzierung ist entscheidend für die Realisierbarkeit und langfristige Wirtschaftlichkeit des Projekts. Kommunen, Stadtwerke oder private Betreiber benötigen dazu ein gutes Verständnis über Kapitalquellen, Kostenstrukturen, Fördermöglichkeiten und typische Risiken.
Neben einem Überblick zum Thema finden Sie auf dieser Seite auch eine Checkliste zur Finanzierung von Wärmenetzen.
Der Wirtschaftsplan als Grundgerüst für Investitionsentscheidungen
Der Wirtschaftsplan (häufig auch Business Case oder Wirtschaftlichkeitsberechnung genannt) bildet die finanzielle Grundlage des Projekts. Er beinhaltet unter anderem:
- Investitionskosten (Erzeugungsanlagen, Netzbau, Planung, Genehmigung etc.)
- Betriebskosten (Personal, Wartung, Energiebezug, Instandhaltung)
- Finanzierungsstruktur (Eigen-/Fremdkapital, Zuschüsse)
- Einnahmeseite (Wärmeverkauf, Anschlussgebühren, ggf. Fördermittel)
- Amortisationsdauer, Kapitaldienstfähigkeit und internen Zinsfuß (IRR)
Der Plan zeigt, ob das Wärmenetz wirtschaftlich tragfähig ist, in welchem Zeitraum sich die Investition amortisiert und wie sensitiv die Kalkulation auf Preis- oder Nachfrageänderungen reagiert.
Kapitalarten im Überblick: Eigenkapital, Fremdkapital, Mezzanine
Bei der Finanzierung von Wärmenetzen kommen in der Regel die folgenden drei Kapitalformen zum Einsatz. Die richtige Kombination dieser hängt von Projektgröße, Risikoprofil und Förderzugängen ab.
Der risikotragende finanzielle Anteil, der von Eigentümern oder Gesellschaftern eingebracht wird, bildet die Basis für Investitionen sowie die Aufnahme von Fremdkapital und letztlich von Fördermitteln. Eine angemessene Eigenkapitalbasis (meist 10 bis 25 Prozent) signalisiert finanzielle Solidität und erhöht die Kreditwürdigkeit. Je nach Finanzierungsform erfüllt es unterschiedliche Funktionen. Bei Unternehmenskrediten stärkt es die Bonität. In der Projektfinanzierung wirkt es zusätzlich als Risikopuffer, falls die laufenden Erträge nicht ausreichen, um die Kreditverpflichtungen zu decken. Typische Quellen sind kommunale Haushaltsmittel, Eigenmittel von Stadtwerken, Einlagen von Genossenschaftsmitgliedern oder Beteiligungen privater Partner.
Wird von externen Kapitalgebern – zum Beispiel als klassisches Bankdarlehen, Förderkredit oder bei größeren Projekten als Kapitalmarktinstrument (Anleihe, Schuldscheindarlehen) – mit festem Rückzahlungsplan und vertraglich vereinbarten Zinsen bereitgestellt. Da Fremdkapitalgeber im Vergleich zu Eigenkapitalgebern ein geringeres Risiko tragen (zum Beispiel durch vorrangige Bedienung), kann Fremdkapital günstiger als Eigenkapital beschafft werden. Voraussetzung sind jedoch häufig Sicherheiten, etwa Grundpfandrechte oder kommunale Garantien.
Bei dieser Kapitalform handelt es sich um eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital. Mezzanine-Kapital kann die Eigenkapitalquote verbessern, wenn es bilanzrechtlich als eigenkapitalähnlich angerechnet wird. Es ist in der Regel teurer als Fremdkapital, bietet dafür aber mehr Flexibilität. Im Falle einer Insolvenz werden zunächst andere Verbindlichkeiten bedient, beispielsweise aus dem aufgenommenen Fremdkapital. Ist dann noch Geld übrig, wird das Mezzanine-Kapital erst nachrangig zurückgezahlt, aber immer noch vor den Eigenkapitalgebern. Zu dieser Kapitalart zählen unter anderem Nachrangdarlehen, die beispielsweise im Rahmen von Crowdfunding eingeworben werden können, sowie stille Beteiligungen.
Typische Risikoarten bei Wärmenetzen
Ein Wärmenetz ist eine langfristige Investition – mit spezifischen wirtschaftlichen und technischen Risiken. Diese sollten möglichst früh erkannt und durch vertragliche, technische und wirtschaftliche Maßnahmen abgesichert werden (zum Beispiel durch Mindestabnahmeverträge, Rücklagenbildung, Versicherungen oder Risikoteilung mit Partnern).
Risiko | Ursache |
Nachfrage | unzureichende Anschlussquote oder geringerer Wärmebedarf als geplant; Risikominderung durch kommunale Ankerkunden möglich |
Preis | steigende Brennstoff-, Strom- oder Betriebskosten, die nicht ausreichend weitergegeben werden können |
Technologie | technische Ausfälle, Reparaturbedarf oder Fehlplanung |
Recht und Regulierung | Änderungen in Förderbedingungen, Preisregulierung (AVBFernwärmeV), Steuerrecht |
Baukostenrisiko | Baukostensteigerungen durch Preisänderungen, Nachträge, etc. |
Bauzeitrisiko | Verzögerungen infolge von Genehmigungsverfahren, Lieferengpässen, Witterung oder Personalmangel |
Weitere Hinweise zur erfolgreichen Finanzierung
- frühe Projektentwicklung mit Szenarien: Ein belastbarer Business Case sollte auch konservative und Worst-Case-Szenarien abbilden.
- professionelle Finanzierungsberatung: Gerade bei größeren Projekten empfiehlt sich die Einbindung von Fachbüros für Projektfinanzierung oder Fördermittelmanagement.
- langfristige Perspektive: Wärmenetze refinanzieren sich oft über mindestens 20 Jahre. Die Finanzierung muss diese Laufzeit absichern können.
- transparente Kommunikation: Klare Informationen zu Kosten, Nutzen und Fördermitteln fördern die Akzeptanz in der Bürgerschaft, bei Anschlussnehmern und politischen Gremien.
Checkliste: Finanzierung eines Wärmenetzes
Wirtschaftsplan erstellen
- Gesamtkosten (Investition, Betrieb, Instandhaltung) vollständig kalkuliert
- Einnahmenseite realistisch geplant (Wärmeverkauf, ggf. Anschlussbeiträge, Fördermittel)
- Kapitalbedarf (inkl. Reservepuffer) ermittelt
- Wirtschaftlichkeitskennzahlen berechnet (zum Beispiel Amortisationszeit, Kapitaldienstfähigkeit, IRR)
- Sensitivitätsanalyse erstellt (zum Beispiel bei sinkender Anschlussquote oder steigenden Betriebskosten)
Finanzierungsstruktur klären
- Eigenkapitalanteil festgelegt (zum Beispiel Kommune, Stadtwerk, Investor)
- Fremdkapital eingeplant (Bankdarlehen, Anleihen, KfW-Kredite)
- Einsatz von Mezzanine-Kapital geprüft (Nachrangdarlehen, stille Beteiligung)
- bei Bedarf: Gründung einer Projektgesellschaft zur Trennung von Risiken und Bilanzierung
Fördermittel prüfen und beantragen
- passende Förderprogramme identifiziert (zum Beispiel BEW oder Landesprogramme)
- Förderfähigkeit des Projekts geprüft (technisch, formal)
- Zuständigkeit für Antragstellung geklärt (Kommune, Projektgesellschaft, privater Partner)
- Zeitplan mit Fristen für Anträge und Bewilligung eingeplant
- Kumulierungsmöglichkeiten mit anderen Fördermitteln geprüft
Risiken erkennen und absichern
- Nachfragerisiko: Maßnahmen zur Anschlussquote und Wärmelastsicherung getroffen
- Preisrisiko: Kalkulation mit konservativen Preisannahmen durchgeführt
- Technologierisiken: Anlagenkonzept validiert, Rücklagen eingeplant
- regulatorische Risiken: rechtliche Beratung einbezogen
- Bau- und Zeitrisiken: realistische Projektlaufzeit, Vertragsabsicherungen (zum Beispiel Vertragsstrafen)
Weitere organisatorische Punkte
- Projektentwickler oder Fachberater für Finanzierungsplanung eingebunden
- Abstimmung mit Politik, Verwaltung und Beteiligten frühzeitig erfolgt
- Beteiligungsmodell (kommunal, privat, gemischt) finalisiert
- Kommunikation mit Bürgerschaft und Anschlussnehmern vorbereitet
- wirtschaftliche Langfristperspektive (mind. 20 Jahre) berücksichtigt
Fazit
Eine erfolgreiche Finanzierung von Wärmenetzen basiert auf einem sorgfältig aufgebauten Wirtschaftsplan, der die richtigen Kapitalquellen kombiniert, Fördermittel ausschöpft und Projektrisiken realistisch einschätzt. Nur mit fundierter Planung lassen sich die Investitionen langfristig wirtschaftlich und sozialverträglich tragen – unabhängig davon, ob das Projekt kommunal, privat oder partnerschaftlich realisiert wird.
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